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5.   Brief - Kontemplation und die Gedanken

 

Zur Einstimmung – biblischer Impuls

 

Segen denen,

die arm sind an Überheblichkeit und Hochmut.

Denn sie folgen dem, was Gott rät.

 

Segen denen,

die rein sind im Herzen.

Denn sie werden Gott schauen.

 

Aus Matthäus 5, übersetzt nach der aramäischen Peschitta von Georg Bubolz

 

Diese Verse aus den so genannten Seligpreisungen, die hier etwas anders übersetzt sind, laden ein zur Einfachheit. Rein sein im Herzen bedeutet auch Klarheit haben. Und schauen bedeutet: ich nehme die Wirklichkeit wahr. In diesem konkreten Falle nehme ich die Wirklichkeit Gottes in dieser Welt wahr, so wie es mir möglich ist.

Hinderlich dabei sind oft die Gedanken, die inneren Bilder und Fantasien. Wer arm an Überheblichkeit und Hochmut ist, hat es oft einfacher sich von den Gedanken und inneren Bildern zu lösen und zu spüren, was Gott rät. Genau darum geht es in diesem Brief.

 

Thema: Gedanken, Fantasien und innere Bilder

 

Immer wieder erzählen mir Menschen, dass sie nicht meditieren können. „Die Gedanken wollen einfach nicht zur Ruhe kommen. Ich kann dies nicht und ich habe keinen Erfolg damit meine Gedanken abzustellen.“

In diesen Worten liegt eins der großen Missverständnisse der Meditation. Und dies hat sicher auch mit einigen Anleitungen in der Meditationsszene zu tun. Dort gibt es seit vielen Jahrzehnten Tipps wie „setze deine Gedanken auf eine Wolke“ oder „ lege deine Gedanken in einen Fluss, er wird sie mitnehmen“. All dies ist kontraproduktiv und viel zu viel Aktivität. Was ist das für eine Arbeit, wenn ich meine Gedanken jeweils auf eine Wolke setzen soll. Auch eine weitere Anleitung ist nicht hilfreich. „Lasse deine Gedanken wie eine Wolke vorbeiziehen.“ Auch hier mit den Gedanken (zu viel) Aufmerksamkeit gezollt.

Lassen sie mich kurz klären, was wir unter Gedanken in diesem Kontext verstehen. Unter Gedanken fasse ich auch die inneren und äußeren Bilder, ebenso die auftauchenden Emotionen und Fantasien. Letztlich sind es all die Eindrücke, die in der Meditation auftauchen und uns ablenken bzw. besetzen.

 

Wie können wir damit umgehen?

 

Diese Frage beinhaltet schon eine kleine Falle oder anders gesagt ein weiteres Missverständnis. In dieser Frage ist enthalten, dass wir eine Aktivität benötigen, um mit den Gedanken umgehen zu können.

 

Stellen wir erst einmal grundsätzlich fest, dass wir Gedanken haben und sie zu uns gehören, genauso wie die Luft zum Atmen. Es mag sein, dass es vereinzelte Menschen gibt, die immer ohne Gedanken - Ströme meditieren können. Aber normalerweise schickt uns das Gehirn fortwährend Impulse. Akzeptieren sie diese Tatsache als Tatsache. Und versuchen sie nicht diese Tatsache irgendwie zu ignorieren.

 

Wir können jetzt fragen: „Wie kann ich mich meinen Gedanken, Bildern, Fantasien gegenüber verhalten?“

 

Und die Antwort ist einfach: „Lassen sie diese“. Im Englischen würden wir sagen „Let it be“.

Das Schöne an der englischen Sprache ist die klare Doppeldeutigkeit dieses Wortes. Ich verstehe dies so:

·        Lass die Gedanken sein, wie sie sind.

·        Lass die Gedanken (los).

 

Für die Praxis der Kontemplation heißt dies, dass ich fortwährend Gedanken habe - dies ist eine Wahrheit! Und die Gedanken sind so, wie sie sind - bei jedem und jeder anders und doch vorhanden.

 

Wenn ich merke, dass ich Gedanken habe, lasse ich sie - im diesem doppelten Sinn des Wortes. Der Mensch kehrt kontinuierlich zu der Einheit von Atem und Wort zurück. Dies ist eine fortwährende Praxis, ohne jeden Ärger, ohne jede Anstrengung. Die Aufmerksamkeit wird ausschließlich dafür gebraucht, dass ich merke, dass ich gerade denke und ich zurückkehre zu Atem und Wort - zu Wort und Atem.

 

Dies ist die einfache und schlichte Praxis des schweigenden Gebetes, der Praxis des Kontemplationsweges des Herzensgebetes und auch der Praxis der Menschen, die in der Tradition der Wolke des Nichtwissens meditieren.

 

In dieser fortwährenden und kontinuierlichen Übung öffnen sich durch die innere Sammlung Räume, in der der Mensch – in der also ich - die Gegenwart Gottes wahrnehmen kann bzw. in der ich spüre, dass ich in der Gegenwart Gottes bin.

Seien sie nicht erstaunt, wenn dann die Ausrichtung auf das Wort und den Atem zurücktritt.

Dies ist keine Ablenkung und kein Denken im obigen Sinne, sondern ohne Aktivität führt es in ein Sein in der Gegenwart - in der Gegenwart Gottes.

Die einzige Aktivität auf diesem Weg besteht darin, dass ich in die Übung zurückkehre und mich so nicht mit den Gedanken beschäftige.

 

Bitte unterscheiden sie, dass Kontemplation kein Training der Achtsamkeit, der Präsenz und des Mitgefühls ist, sondern dass dies Früchte der Kontemplation sind. Um im Bild zu bleiben: sie sind nicht der Wesenskern der Kontemplation, sondern ihre Auswirkungen.

Dies befreit, denn ich möchte nicht besser werden z.B. durch Achtsamkeit oder Präsenz,

sondern die Intention der Kontemplation führt zur Beziehung mit der göttlichen Wirklichkeit. Dass die kontinuierliche Praxis und Übung der Kontemplation Früchte trägt für mich selbst, für andere Menschen und die Schöpfung ist ausgesprochen wertvoll, aber nicht ein Ziel. Es ist eher eine kostbare Zugabe.

 

Zur Klarheit

 

Sie haben Gedanken, verurteilen sie sich deswegen nicht. Dieses Wissen entlastet sie in der Praxis der Kontemplation. Halten sie sich weder für ungeeignet noch für einen schlechten meditierenden Menschen.

 

Gehen sie mit den Gedanken und damit mit ihrer Meditationspraxis folgendermaßen um:

 

*     lassen sie den Gedanken (los) - ohne jedes Bemühen

*     lassen sie sich auf ihre Praxis ein und kehren sie in ihre Praxis zurück

*     lassen sie sich so sein, wie sie sind

*     überlassen sie sich - der Wirkkraft Heiligen Geistes

 

Kurz zusammengefasst helfen vielleicht die Stichworte

 

lassen – einlassen - sein lassen - überlassen

 

Eutonische Übung – Körperarbeit

 

Diesmal führe ich keine eutonische Übung aus. Sondern mache ich einige Anmerkungen zum Zusammenhang von Körperarbeit und Kontemplation.

Einigen Menschen fällt es in der Körperarbeit wesentlich leichter ganz bei sich zu sein und die Gedanken zu lassen, als in der Kontemplation.

Dies hängt damit zusammen, dass in der Körperarbeit durch eine Aufgabe bzw. die Anleitung die Sammlung gefördert wird. Der Mensch richtet sich also auf eins aus, nämlich auf die Körperwahrnehmung bzw. auf die konkrete Übungsanleitung.

Der Mensch ist also fokussiert.

Dies ist gut, hilfreich und förderlich - nicht nur in der konkreten Sammlung und Wahrnehmung. Der Unterschied zur Kontemplationspraxis ist die Ausrichtung. In der Kontemplationspraxis ist die Intention „die Gegenwart Gottes wahrzunehmen“ zwar vorhanden, aber sie ist unspezifisch und bleibt offen.

 

Nachklang

 

Die Gedanken sind frei

vagabundierend.

Sie kommen

und gehen

ohne Unterlass.

 

Lasse sie.

Lasse sie sein.

Lasse sie einfach.