2. Brief - Kontemplation und Atem
Am Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. 2 Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.
1.Mose.1, 1 und 2
Da bildete Gott, den Menschen aus Staub vom Erdboden und blies Lebensatem in seine Nase. So wurde der Mensch ein lebendiges Wesen.
1.Mose.2,7
Meditation und Atem
Der Atem des Menschen ist in der Kontemplation der Träger der göttlichen Wirklichkeit. „Ich bin in dieser Wirklichkeit und diese Wirklichkeit ist in mir.“
In vielen religiösen Traditionen der Meditation spielt die Ausrichtung auf den Atem eine wesentliche Rolle. Diese Ausrichtung ist mehr als eine Übung der Achtsamkeit,
sondern eine Verbindung mit der größeren Wirklichkeit. Diese Verbindung gehört zum Leben. Wie der Mensch damit umgeht, ist eine andere und höchst persönliche Frage.
Zur Praxis. In der Kontemplation sitzt der Mensch aufrecht und entspannt und richtet seine Aufmerksamkeit auf den Atem.
Dadurch entsteht ein Rhythmus:
Ø ich atme ein - dies ist als ein Geschehen – also nicht aktiv - zu verstehen: es atmet mich ein
Ø ich atme aus - auch dies ist ein Geschehen: es atmet mich aus.
Ø der Atem klingt aus. Dies ist mehr ein Nachklingen und Innehalten und auf keinen Fall eine Pause, in der der Atem angehalten wird.
Ganz von selbst beginnt dieser Prozess des Atmens von vorne.
Die Übungspraxis verbindet den natürlichen Rhythmus des Atems mit der Kontemplation. Ich könnte auch sagen, dass die Kontemplation sich an diesem Rhythmus ausrichtet und beide sich gegenseitig ergänzen und vertiefen.
Einige Wege der Kontemplation richten ihre Praxis und ihre Aufmerksamkeit fast ausschließlich bzw. schwerpunktmäßig auf den Atem aus. Ich scheue mich, dies für die unterschiedlichen Meditationsformen konkret zu benennen, weil im Einzelfall - also in der Begleitung eines Menschen in der Kontemplation - oft weitere und anderer Anregungen hinzukommen.
Sitzen Sie in der Kontemplation in der Ausrichtung auf den Atem - auch wenn wie im Herzensgebet - dies nicht die endgültige Praxis ist. Schauen Sie Ihrem Atemfluss aufmerksam zu und kehren Sie, wenn ihre Aufmerksamkeit abgeschweift gelassen zu dieser Wahrnehmung zurück.
Zur Klarheit
Den Atem lassen - Becken und Herz- Brust-Raum
Sobald wir den Atem beobachten, verändert sich der Atemfluss - mehr oder weniger.
Mit der Zeit der Übung gelingt es auf den Atem zu schauen, dem Atem zuzuschauen, wie er fließt und einfach die Aufmerksamkeit darauf zu richten. Indem wir unser Bewusstsein auf den Atem ausrichten konzentrieren wir uns auf Eins (den Atem), also auf die Grundübung der Kontemplation. Verzweifeln Sie nicht, wenn es Ihnen nur allmählich oder kaum gelingt bei der Wahrnehmung des Atems zu bleiben. Es ist eine fortwährende Übung, auch erfahrenen Menschen gelingt dies jeweils in unterschiedlicher Intensität. Auch sie beeinflussen den Atem oder schweifen ab.
Eine weitere Frage, die immer wieder gestellt wird, betrifft den Raum des Atems. Manchmal wird es so formuliert: „Soll ich mehr in das Becken atmen oder in den Herz Brustraum“. Erinnern Sie sich an den Satz: Es atmet Sie. Geben Sie Ihrem Atem frei und sie werden je nach Befindlichkeit mehr in den Raum des Beckens, des Bauches und des Herz-Brustraums den Atem und seine Auswirkungen spüren. All diese Bereiche sollen dem Atem zur Verfügung stehen. Eutonisch gesehen würde ich dies als Flexibilität und Anpassung an die Situation bezeichnen. Wenn Sie auf etwas achten möchten, dann spüren Sie, ob Atemräumen gar nicht einbezogen werden. Legen Sie dann nur ihre Hand auf diesen Raum - auch wenn Sie meditieren - und der Atem wird auch diesen Bereich „bewegen“. „Machen“ sie nichts, strengen sie sich nicht an. Interessant ist, dass einige Neurologen die gelassene Ausrichtung auf den Atem mit der Wirkung eines Spannungsausgleiches für den ganzen Menschen verbinden. Diese Erfahrung mache ich seit Jahren.
Eutonische Übung – Körperarbeit
Die Atemräume wahrnehmen (diese Übung finden sie gesprochen auf dieser Seite unten zum Download. Sie können damit sofort üben.)
Körperarbeit: Körperübung zum Atem - dem Atem Raum geben, eventuell mit einen warmen Kirschkernkissen unter dem Rückenbereich
Absicht: die Atemräume bewusst wahrnehmen, flexibel darauf zurückgreifen
Material: Sie brauchen für die Übung kein Material.
Unterlagen: Zwei Decken oder Yogamatte und gegebenenfalls ein Kopfkissen.
Zeitdauer: Nicht länger als 20 Minuten
Ich notiere die Übung nicht als wörtliche Anleitung.
Bitte legen Sie sich in die Rückenlage und legen Sie sich gut ab.
Spüren Sie die Auflage Ihres Kopfes,
lassen Sie die Schultern sich am Boden ablegen,
wo hat mein Rücken Kontakt zum Boden,
wo hat der Rücken mehr Abstand.
Spüren Sie dies einfach nur.
Liegen Ihr rechter Arm und ihr linker Arm gut auf?
Möchten Sie die Auflage verändern? Oder so lassen?
Gehen Sie zurück zum Rücken.
Spüren Sie die Auflage des Gesäßes, des Beckens.
Kann dieser Bereich sich noch dem Boden anvertrauen.
Wie liegen ihre Beine auf?
Gibt es einen Unterschied zwischen dem rechten und dem linken Bein?
Möchten Sie die Lage der Beine und die Haltung der Füße verändern?
Wenden Sie sich nun den Atemräumen ihres Körpers zu.
Ich lade Sie ein, diese Atemräume in einem ersten Durchgang bewusst wahrzunehmen.
Nicht mehr und nicht weniger.
In der zweiten Übung intensivieren wir dies.
Legen Sie Ihre Hände auf den Unterbauch. Dazu bilden Sie ein Dreieck mit den Händen, die Daumenspitzen und die Außenseiten der Fingerspitzen des Zeigefingers berühren sich dabei.
Die Hände liegen anders gesagt in einem Dreieck und die Fingerspitzen liegen leicht oberhalb des Schambeins auf dem Bauch. (Merkel-Raute im Liegen!)
Spüren Sie den Atem in diesem Bereich. (In dieser Übung geht es nur um das Spüren und das Wahrnehmen des Atems im Körper. Dazu gehe ich mit Ihnen die verschiedenen „Räume des Atems“ entlang.)
Bewegt sich ihr Unterbauch? Sie spüren hier die Auswirkungen des Atems. Das Zwerchfell drückt den unteren Leibbereich nach unten und massiert ihn damit gleichzeitig.
Legen Sie die Hände waagrecht unterhalb des Bauchnabels. Was nehmen Sie dort wahr? ---
Legen Sie die Hände nun ebenso waagrecht unterhalb der Rippenbögen, also leicht über den Bauchnabel. Werden die Hände vom Atem und seinen Auswirkungen bewegt? Ist diese Bewegung eher kleiner oder größer?
Die Hände wandern nun zu den unteren Rippenbögen (unterhalb der Brust) und liegen dort auf.
Hier spüren Sie die Bewegung des Atems unmittelbar. Geben die Rippenbögen nach? Sind Sie flexibel?
Die Hände legen sich auf dem Brustherzraum ab. Die Fingerspitzen berühren das Brustbein, die Handflächen liegen dann in etwa auf der Brust. Lassen Sie den Atem auch in diesem Bereich wirken. Ist auch dieser Atem-Raum flexibel und weit?
Fast zuletzt legen Sie Ihre Hände in die Nähe der Schlüsselbeine. Die Fingerspitzen zeigen dabei in Richtung der Schultergelenke. In diesen Spitzen wirkt sich der Atem unmittelbar aus. Dieser Raum sollte sich auch bewegen. Geschieht dies kaum oder gar nicht, atmen sie bewusst in diesen oberen Bereich.
Nehmen Sie zum Abschluss die Hände wieder neben den Körper. Und spüren Sie wie der Atem den ganzen Körper bewegt. Lassen Sie dies bewusst zu. Je flexibler und weiter ihre Atemräume sind, desto mehr Lebensqualität haben Sie. Beenden Sie die Übung mit einem leichten Dehnen und Räkeln.
Nachklang
„Du Atem aus der ewigen Stille durchwehe sanft der Seele Grund.“
Gerhard Tersteegen
Eine Vertonung von Rainer Moritz finden sie dazu im Download unten auf dieser Seite.
EUTONIE ÜBUNGEN FINDEN SIE GESPROCHEN ALS DATEI IN TEIL III