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1.     Brief  Kontemplativ Leben

 eine Annäherung,

an das was ich sagen will

 

 

Alles auf der Erde hat seine Zeit

geboren werden und sterben

sich umarmen und sich aus der Umarmung lösen

aufbewahren und wegwerfen

weinen und lachen

innehalten und gestalten

freigegeben und festhalten

schweigen und reden

lieben und aufhören zu lieben

gelassen und wütend sein

vertrauen und enttäuscht sein

sich freuen und Schmerz spüren

dankbar sein

alles in allem.

Alles auf der Erde hat seine Zeit.

Nach Prediger Salomo 3  RM


Kontemplatives Leben. Während ich diesen Text lese und überarbeite bin ich im November 2021 im Kloster Chevetogne (Belgien), wo die Liturgie orthodox und lateinisch gleichermaßen gefeiert wird. Ich bin überrascht auch junge Menschen zu erleben, die die orthodoxe Liturgie feiern und gut kennen. ist es die Authtienzität, die sie und auch ich vorfinden, die Nische, das Fremde, die Schönheit auch des Gesanges? Wie finde ich Fragen und Antworten, die (mich) weiterführen?

Ich stelle mir das Jahr 2030 vor und ich schaue zurück auf die Jahre seit 2020 der großen Pandemie. Ich beschreibe die Veränderungen, die – imaginativ - geschehen sind. So kann ich deutlicher festhalten, was mir am Herzen liegt.

Welche Veränderungen in unserem Leben haben seit her stattgefunden? Haben wir Menschen dazugelernt? Hat sich die gesellschaftliche Vereinzelung fortgesetzt und macht jeder und jede was sie will? Steigt die Verantwortung für einander und miteinander in der ganzen Welt? Wie hat sich die Spiritualität entwickelt? Kann sie zur Orientierung und Unterstützung in den notwendigen Veränderungen werden? Ist Spiritualität weiter individualisiert oder bilden sich andere Formen des Miteinanders?

Ich möchte meinen Blick besonders auf das spirituelle Leben der Menschen richten, dies verbindet sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen.

Ø  Die traditionellen Formen der Kirchen haben sich gravierend verändert. An vielen Orten sind Kirchenmitglieder bewusst ausgetreten oder haben sich engagierten, spirituell orientierten Kirchengemeinden angeschlossen. Die Notwendigkeit und das Leben der Kirchengemeinden entscheiden sich durch ihre Arbeit vor Ort.

Ø  Es haben sich außerhalb der Kirchen lose Gemeinschaften mit Verbindlichkeit zusammengefunden. Die Organisationsformen sind weder Kirchen, noch Klöster, noch Vereine. Gemeinschaft und verbindende spirituelle Praxis ist zentral, Finanzen spielen eine untergeordnete Rolle, die Organisationsformen sind gleichzeitig ortsnah und durch Online - Möglichkeiten überregional. Das Bewusstsein der Endlichkeit ist in diesen gemeinschaftlichen Lebensformen vorhanden.

Ø  Es spielen viele hierarchische Arbeitsformen keine Rolle mehr. oder deutlich weniger.

Verantwortung wird aufgeteilt und projektorientiert umgesetzt. Bürokratische Einschränkungen, Regelungen und Bevormundungen, wie in vielen Organisationen vorhanden, entfallen.

Ø  Ökumene wird nicht mehr hergestellt oder diskutiert, sie ist unabhängig von jeder Struktur vorhanden. Konfessionen spielen keine große Rolle mehr, entscheidend ist die spirituelle Wirklichkeit und Praxis.

Ø  Jede und Jeder ist willkommen, der sich an den vorhandenen Schwerpunkten beteiligen will bzw. erweiternde Ideen mitbringt.

Ø  Die Gemeinschaften pflegen ihre Identität und entwickeln sie gleichzeitig weiter. Dies gilt auch für jede beteiligte Person.

Ø  Spirituelle Praxis gehört in unterschiedlicher Form dazu, seien es kontinuierliche Kontemplation und Meditation, Exerzitien, Lectio Divina oder spirituelle Erfahrungsfelder, wie z.B. Bibliodrama, Bibliolog, gemeinschaftliches Singen und Musikmachen in Chören. Bands, und Musikgruppen unterschiedlichster Art.

Ø  Der Verzicht auf eigene Häuser und Räume ermöglicht eine große Flexibilität. Durch Home Office leer stehende Büroräume/Großraumbüros werden preiswert (auf Zeit) genutzt. Ebenso verlassene Kirchen oder Gemeindehäuser. So entstehen dritte Orte für Spiritualität und politisches Engagement, außerhalb von Hauskreisen, Kirchen und anderen Organisationen.

Ø  Die Krise der Kirche wird nicht zu einer Krise der Spiritualität und des geistlichen Lebens, im Gegenteil: kontemplatives Leben wächst.

Ø  Die Ortsgemeinden werden kleiner, überschaubarer, selbst-bewusster, reflexiver. Verordnungsgestaltung von oben funktioniert nicht mehr.

Ø  Die Angebote sind in erster Linie für die Menschen in der Gemeinschaft und gleichzeitig für interessierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer offen. Die Bedürfnisse und das Interesse bzw. das Eigeninteresse der Menschen in den Gemeinschaften bestimmen die Themenfelder der Angebote.

Ø  Das Engagement in sozialen Projekten ist hoch, steht aber nicht (überall) im Vordergrund, wird aber vernetzt unterstützt. Kurzfristig sind durch diese Vernetzung fast selbstverständlich Geldmittel frei und vorhanden. Sie können unbürokratisch eingesetzt werden.

Ø  Soziales Engagement ist Folge der spirituellen Haltung und kann über die vorhandene Vernetzung überregional/weltweit eingesetzt werden.

Ø  Vernetzung - ohne Bürokratieaufwand - ist selbstverständlich. Jeder bringt seine persönliche Vernetzung ein und so entsteht ein Geflecht von Beziehungen, die überall einfließen.

Ø  Manche Kirchengemeinden lernen dazu und beteiligen sich auf verschiedenen Ebenen an diesem neuen Formen, die gleichzeitig eine Rückbindungen zur eigenen Vergangenheit darstellen (wie z.B. die Entstehung der Eine- Welt-Läden, der Friedensbewegung, der Ladenkirchen um 1980).

Ø  Gemeindehäuser wurden zu Stadtteilzentren, die offen sind für Vereine, Initiativen, unterschiedliche Chöre …

Ø  Die neuen alten, nicht nur spirituellen Themen Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung und Frieden haben sich weiter entwickelt. Die Fragen des Klimawandels werden in einen größeren Kontext gesehen und wurden praktisch umgesetzt.

Ø  Rituale an den Lebensschwellen (Geburt, Adoleszenz, Pensionierung und  Alter- Umzüge, Trauungen , Trauer, Krisen, Krankheit und Tod) werden in den Gemeinschaften vollzogen bzw. von den mit den Gemeinschaften verbundenen „eingeübten“ Fachleuten begleitet.

Ø  Fortbildungen zur geistlichen Begleitung (ehrenamtlich) und geistliche Begleitung  gehören zum Alltag. In Ortsgemeinden sind sie verstärkt zu finden.

Ø  Viele Menschen setzen sich mehr mit ihrer Endlichkeit auseinander und akzeptieren leichter, dass sie sterbliche Wesen sind. Viele setzen sich dafür ein, dass Menschen nur noch in Begleitung sterben und nicht isoliert werden. Das vereinsamte Sterben in der Pandemie hallt nach und macht immer noch fassungslos. Die Hospizbewegung ist weiter gewachsen.

Dies sind Schlaglichter der Zukunft. Was heute gerade so sichtbar wird, wird in wenigen Jahren Alltag sein. Menschen wollen kontemplativ Leben. Meine Aufzählungen beschreiben dieses kontemplative Interesse. Und es ist nun hilfreich zu fragen, wie jeder und jede einzelne kontemplatives Leben in dieser Gesellschaft umsetzen kann.

Ø  Welche Wesensmerkmale sind für kontemplatives  Leben kennzeichnend?

Ø  Welche Organisationsformen brauchen kontemplatives Leben oder brauchen sie k(l)eine Organisationsformen? Organisationsstrukturen?

Ø  Welche Kompetenzen schenken  und benötigen kontemplatives Leben?

Aber vor allem interessiert mich, was kontemplatives Leben allgemein und persönlich ist. Davon mehr im nächsten Brief

Chancen und Schwierigkeiten: Zwischen Gemeinschaft und Individualität

 

Im jedem Leben gibt es eine Spannung zwischen Individualität und Gemeinschaft oder anders ausgedrückt zwischen der Sehnsucht sich um sich selbst zu kümmern und nach einem Miteinander. Diese Spannung hält wie ein Gummiband die entgegengesetzten Pole zusammen. Auf der einen Seite steht die alleinige Ausrichtung des Menschen auf sich selbst und die Sorge um den Verlust der eigenen Identität in einer Gemeinschaft. Auf der anderen Seite braucht jeder und jede von uns das Miteinander, das persönliche Du und das weitere Wir und eine Gemeinschaft zu der wir gehören. Dies können die Familien, Freundeskreise, Vereine, religiöse Gemeinschaften und vieles mehr sein. Keine dieser beiden Seiten ist für sich genommen heilsam und hilfreich.

Gerade die Spannung und Verbindung beider Seiten ermöglicht es im Leben für sich mal mehr die eine oder andere Seite in den Vordergrund zurück. Durch die Spannung zwischen beiden Seiten bleibt dabei eine Verbindung gewährleistet, die immer wieder zu einer guten und konstruktiven Balance führt. Dabei darf das eine oder andere durchaus mal im Vordergrund stehen.

In der Kontemplation geschieht beides: der bzw. die Praktizierende ist einerseits ganz und gar auf sich selbst bezogen und ist andererseits in der Gemeinschaft aufgehoben und getragen.

Es geht um den Einzelnen in der Gemeinschaft. Dies widerspricht der Tendenz in der Gesellschaft sich selbst zu sehr in den Vordergrund zu stellen und sich nur um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern.

 

Körperarbeit: Friedensgebärde

Video dazu unter www.projektfastenzeit.org

 

Die Friedensgebärde

Stellen Sie sich aufrecht und stabil hin.

Die Arme hängen neben dem Körper.

Sprechen Sie den Text entweder laut zu sich selbst oder inwendig.

Halten Sie in jeder Position einen Augenblick inne.

Frieden meinem Körper

die rechte Hand legt sich auf den Unterbauch

Frieden meiner Seele

die linke Hand legt sich auf den Brustraum

Friede meinen Gedanken/meinem Denken

beide Hände wandern in einem kleinen Halbkreis über den Kopf

und bilden ein kleines Dach

Variante: legen Sie die Finger/Fingerspitzen mittig auf den Kopf

Oder beide Hände berühren den Kopf

Frieden der ganzen Welt/dem ganzen Kosmos

die Hände werden zur Decke gestreckt und wandern seitlich in einem Halbkreis

mit nach vorne offenen Händen mit etwas Abstand

neben den Körper herunter. Sie halten inne.

Nachklang

Die Tiefe der menschlichen Seele birgt unergründliche Kräfte, weil Gott in ihr wohnt.

Franz von Assisi